Hier finden Sie Zeitungsinterviews sowie Feedback von Schülerinnen und Schülern zu Binario11.
Die Zitronen baumeln in Ihrem Terracotta Topf schon kniehoch vor dem Schaufenster., das Feigenbäumchen trägt erste Früchte, und wer seine Nase an der Scheibe platt drückt, sieht drinnen im kleinen Raum rechts von der Espresso Maschine das Akkordeon der Chefin am Stuhl lehnen. Man kann Barbara Wolf, die bei schönem Wetter draußen vor der Glastür auf ihrem hölzernen Ristorante Stühlchen sitzt fragen, was es hier auf sich hat mit ihr und ihrem Laden. „Binario11“ wird sie anheben und nicht elf, sondern „undici“ sagen, und alles weitere hört man schon kaum mehr, weil der Klang ihrer Worte einen sofort über die Alpen nach Süden spült und die mitgelieferten deutschen Vokabeln in dem timbre italiano unterzugehen drohen.
Mehr als zehn Jahre lang hat sie in BOLOGNA studiert und mit freien Kompagnien gearbeitet ehe sie 2002 wieder zurück in ihre Heimat München kam. Lange war sie zu Gast in anderen Institutionen – jetzt ist sie selber eine geworden. Binario11 steht dabei für Gleis 11, von dem aus die Züge am München Hauptbahnhof nach Italien abfahren – und wieder ankommen. Auch ein begriffliches Spiel mit dem Fernweh von Städtern, die sich an der Isar in Italiens nördlichster Provinz wähnen.
Das Bedürfnis will Wolf stillen, etwa mit dem sonntäglichen Musik Brunch einmal im Monat, wenn neben Akkordeon und Klarinette auch Jazz Klänge den Raum erfüllen und die Leute an der Tür stehen mit einem Glas Wein in der Hand. So halt wie in den Avanguarde Bars und winzigen Kneipen, die Wolf aus Bologna und Venedig kennt. Sehnsucht einlösen auf 24 Quadratmetern. Das ist das Spielbein der 46 Jährigen die auf der Straße wie auf vielen Bühnen selbst als Musikerin aufgetreten ist. Das Standbein für das Unternehmen in München sind die fortlaufenden Sprach- und Musiktheaterkurse.
Aber das Künstlerleben ist zu weilen ein Hartes, in einer Stadt mit den höchsten Mietpreisen, wo „Freie“ kaum überleben können. „Wir sind eine aussterbende Rasse“ weil die äußeren Bedingungen hier so schlecht sind. Sagt Wolf. Wir sollen – wie im Schaufenster- Qualität bringen, müssen aber auch davon leben können. (Als kulturelles Projekt gibt es Binario11 schon seit 2007).
Für diese große Frau mit den fließenden Händen geht es nur so: Die Sprache gibt‘s nicht als losgelösten Baustein, sondern eingewickelt in Lebensgefühl. Binario11 – „Italienisch lernen und leben“ hat sie auf ihr großes Plakat im Schaufenster drucken lassen. Für Klischees ist trotzdem kein Platz. Dafür war die Grenzgängerin zu lange in der Emilia Romagna zu Hause. Und hat erlebt wie die einstige Heimat der linken Kulturszene während der Berlusconi Ära nach und nach der Hahn abgedreht wurde, die Stimmung sich änderte und selbst in kleinen Künstlerbars wo es den Wein für 1 Euro gab, beliebige Touristentreffs einzogen. Aber den Geist des Landes, wo die Zitronen blühe, der soll in ihrem Kulturladen weiter wehen. Hin und wieder präsentiert sich die Wandelbare in Solostücken selber, dann sind Schüler und zeitgenössische Musikkollegen aus Italien an der Reihe. Wolf wird sie wohl abholen am Binario11.
Quelle: SZ 13.8.2012, Andrea Schlaier